Virtuelle Welten und europäische Werte
Die Treiber und Architekten virtueller Welten sitzen zum Großteil außerhalb der europäischen Union und sind doch die dominanten Gestalter dieser Entwicklung. Um europäische Werte in dieser sich entwickelnden Industrie zu verankern braucht es Gestalter aus Europa und klare Regeln. Dies hat die EU nun erkannt und setze das Thema auf die Agenda. Ein Überblick.
Am 26.11.2023 haben die Abgeordneten des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz den Entwurf eines Initiativberichts über die Chancen, Risiken und politischen Auswirkungen virtueller Welten auf den Binnenmarkt mit 31 Ja-Stimmen, 2 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen angenommen. Damit trägt die EU der Entwicklung rund um virtuelle Welten Rechnung. Denn „virtuelle Welten könnten die Art und Weise, wie Menschen leben, arbeiten, Inhalte erstellen und teilen, erheblich verändern.“ So steht es in einer Pressemitteilung des EU Parlaments vom 28.11.2023. Es folgt eine übersetze Darstellung der EU-Pressemitteilung:
Nach dieser wollen die Abgeordnete technologische Abhängigkeiten von Drittländern verringern und EU-Unternehmen unterstützen. Neben der Erschließung dieses neuen Wirtschaftszweiges geht es aber auch um europäische Werte: Themen wie Risiken in Bezug auf psychische Gesundheit, Datenschutz, Verbraucherschutz und Cybergewalt sollen angegangen werden. Konkret strebt die EU eine führende Rolle bei der Gestaltung virtueller Welten an, um die Respektierung von Werte und Grundrechte der EU zu fördern und gleichzeitig ein Höchstmaß an Verbraucherschutz zu gewährleisten.
Erklärtes Ziel der EU: Kohärenz mit bestehenden digitalen Regeln
Die Strategie der Kommission zu Web 4.0 und virtuellen Welten (vom 11.07.2023) definiert virtuelle Welten als persistente, immersive Umgebungen, die auf 3D- und Extended-Reality-Technologien (XR) basieren. Die Abgeordneten fordern die Kommission auf, die Angemessenheit bestehender digitaler Vorschriften regelmäßig zu bewerten und bei Bedarf neue Rechtsvorschriften vorzulegen, auch wenn in der Mitteilung noch keine spezifischen legislativen Maßnahmen vorgeschlagen werden.
Derzeit werden virtuelle Welten von einigen wenigen Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU entwickelt, die über die notwendigen Ressourcen und finanziellen Möglichkeiten verfügen. Die Abgeordneten betonen, dass die EU eine führende Rolle bei der Entwicklung virtueller Welten einnehmen sollte, die die Werte der EU, die Grundrechte und die höchsten Standards des Verbraucherschutzes respektieren und fördern. Sie fordern die Förderung gleicher Wettbewerbsbedingungen zur Unterstützung europäischer Unternehmen, die Schaffung eines geeigneten politischen Rahmens, die Aufnahme eines internationalen Dialogs mit gleichgesinnten Drittländern und die Sensibilisierung der Bürger für einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen Technologien.
Adressieren von Chancen und Risiken virtueller Welten
Die Abgeordneten erkennen die Chancen an, die virtuelle Welten für Wirtschaft, Beschäftigung und Bildung bieten können, und betonen, wie wichtig es ist, in Infrastruktur, Forschung, Innovation und Fähigkeiten zu investieren. Sie betonen, wie wichtig es ist, in Infrastruktur, Forschung, Innovation und Kompetenzen zu investieren. Andererseits zeigen sie sich besorgt über mögliche gesundheitliche Probleme, die sich aus der Interaktion mit diesen Technologien ergeben, wie z.B. Sucht, Cyberkrankheit, Schlafstörungen und die Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung von Kindern. Die Abgeordneten äußern auch Bedenken in Bezug auf die Verarbeitung sensibler Daten, geistige Eigentumsrechte, Cybergewalt, Finanzbetrug und Umweltauswirkungen.
Der Berichtsentwurf spricht sich für die Einführung von sicherem Design, Maßnahmen zur elterlichen Kontrolle, Informationskampagnen, die Förderung der digitalen Kompetenz und weitere Forschung zu den damit verbundenen Risiken aus. Der Text betont auch, wie wichtig es ist, offene, inklusive und zugängliche virtuelle Welten zu schaffen, um die Teilnahme von Menschen mit Behinderungen zu fördern.
Position aus der Pressemitteilung: Europa sollte den Weg vorgeben
Berichterstatter Pablo Arias Echeverría (EVP, ES) sagte: „Europa kann es sich nicht leisten, bei der nächsten digitalen Revolution hinterherzuhinken, noch können wir Fehler der Vergangenheit wiederholen. Auf dem Weg ins Web 4.0 mit der Entwicklung virtueller Welten müssen wir eine Grundlage schaffen, die auf starken digitalen Regeln, Leitprinzipien und Werten der EU beruht. Europa muss diesen Übergang anführen und die Bürger in den Mittelpunkt unserer digitalen Zukunft stellen!“
Position des DIVR: Realismus und richtige Ambitionen vereinen
Als gemeinnütziger Verein, der die Thematik „Chancen und Risiken rund um virtuelle Welten“ bereit seit Gründung anspricht, begrüßen wir es, dass dieses Thema nun auch im EU Parlament aufgegriffen wird. Auch zu begrüßen ist der Anspruch, dass Europa hier das Ziel einer Führungsrolle einnehmen soll. Im Hinblick auf die starke XR Szene der EU sind hier durchaus Potenziale. Gleichwohl müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die dieser Saat ein Wachstum und damit Gestaltung ermöglicht.
Es darf nicht verkannt werden, dass die Treiber dieser Entwicklung (beispielsweise Meta, Apple, Bytedance, etc.) Multi-Milliarden Konzerne aus Übersee sind, die mit völlig anderen Mitteln und Möglichkeiten agieren und das Ökosystem vorgeben, in dem sich die meisten Akteure in Deutschland und Europa bewegen. Daher muss einerseits eine gesunde Balance zwischen innovationsoffener Regulatorik und EU Werten gefunden, andererseits der Aufbau eines europäischen Ökosystems gefördert werden.
Kurzum: Souveränität wo sie notwendig ist (z.B. bei kritischer Infrastruktur, sensiblen Daten, Know-How) begrüßen wir. In allen anderen Bereichen plädieren wir für Innovationsoffenheit und einen förderlichen Pragmatismus mit internationalen Partnern.